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Patrick Rickert
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Serie [Comedy, Büro, Mockumentary]

Stromberg

Kalender und Tasse mit Aufschrift "Stromberg"

Netflix
5 Staffeln, 46 Folgen
Comedy, Büro, Mockumentary

"Sowas könnte man heute ja gar nicht mehr machen" - das ist der häufigste Satz, den man zu hören bekommt, sobald es um das Thema Stromberg geht. Die Alltagssatire, deren Folgen meist vollgestopft mit "Alltags"rassismus und -sexismus sind, wirkt für die meisten wohl einfach aus der Zeit gefallen. In Zeiten von Political Correctness und Social Justice-Kriegen wage ich den Selbstversuch und starte den Rewatch, um ein für alle Mal zu klären: Darf er das?

Eine Serie mit Geschichte

Stromberg ist wohl eine der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Produktionen der letzten Jahrzehnte. Dabei ist die Idee nicht neu: die Serie im Dokumentar-Stil ist dem britischen Vorgänger The Office nachempfunden. Wie sein amerikanischer Mitbewerber übernimmt Stromberg so gut wie alles vom Original: das trockene Büroleben, die schrulligen und lebensechten Kollegen und vor allem einen Hauptdarsteller, mit dem die Serie steht und fällt. In diesem Fall ist es Christoph Maria Herbst, der mit seinem "Kinder! ...Kurz mal eben" einen Charakter geprägt hat, den man nicht so schnell vergisst. Bernd Stromberg, Abteilungsleiter der Capitol-Versicherung, ist ein Klischee-Chef, wie er im Buche steht. Überfordert, arrogant, egozentrisch, schluffig, ein begeisterter Redner, dabei aber völlig taktlos - Ein echtes Original eben.

Fünf Staffeln, Ein Film

So lange braucht es, um die Geschichte der Versicherungsabteilung auszuerzählen. Und all das gibt es auch Jahre später noch auf Netflix zum Nachgucken. Das ist nur ein Indiz dafür, wie viele Fans die Serie bis heute vorweisen kann. Ein weiteres Argument: Der abschließende Film war ein Crowdfunding Projekt. Über 3000 Spender finanzierten ein Drittel des Produktionsbudgets, um ihrer Lieblingsserie zu einem würdigen Abschluss zu verhelfen. Und das hat sich gewaschen: Stromberg - Der Film liefert zwei Stunden frische Ideen mit Höhen und Tiefen für unsere Lieblingscharaktere. Wer sich also auf die Stromberg-Odyssee einlässt, der kann sich sicher sein, dass ihn ein rundes Gesamtpaket inklusive zufriedenstellendem Ende erwartet.

Funktioniert das noch?

Nun kommen wir aber mal zur eigentlichen Frage. Es ist kein Geheimnis, dass beinahe alle Gags und Pointen der Serie auf den schotigen Eigenarten von Bernd Stromberg selbst basieren. Dieser zeigt sich von seiner besten Seite: als misogyner, privilegierter und ignoranter Chauvinist. Nicht nur seine Kolleginnen und Kollegen bekommen das permanent zu spüren, auch als Zuschauer bleibt einem das Lachen so einige Male im Halse stecken und wird zu schmerzhafter Fremdscham. Zurecht fragen einige, ob das denn Themen sind, über die man heute noch lachen sollte - aber nach erneutem Rewatch kann ich überzeugt sagen: Ja! Denn die Serie macht sich nicht über Minderheiten lustig, sie macht sich über Stromberg selbst lustig. Dieser fällt wieder und wieder mit seinem engstirnigen Verhalten auf die Nase, und das so unzensiert und unschön, dass man gar nicht anders kann, als jeglichen Respekt für ihn zu verlieren. Stromberg ist kein Stammtisch-Klamauk, sondern eine feinsinnige, scharf beobachtete Satire auf diverse Abgründe der Menschlichkeit, die sich am gemeinsamen Arbeitsplatz am aller deutlichsten zeigen. Und dann ist da natürlich noch der einzigartige Humor, der dazu führt, dass man - einmal angefangen - gar nicht mehr damit aufhören kann, sich gegenseitig von morgens bis abends Zitate um die Ohren zu hauen. "Das könnte man heute gar nicht mehr machen"? - von wegen! Vielleicht braucht es sogar mal wieder ein modernes Stromberg, das uns all die Absurditäten des konservativen Leviten-Lesers vor Augen führt. Denn seit Jahren lachen wir nicht mit Stromberg - sondern über ihn. Und das noch immer mit Recht!

Fazit:  Absolute Binge-Empfehlung. Stromberg ist und bleibt ein topaktueller All Time-Favorite. Ein Rewatch lohnt sich immer wieder!


Unsere Serien- und Film-Expertin

Hannah Schürkamp - Film-Enthusiastin & Studentin (Geschichte, Englisch)

Hannah Schürkamp sitzt auf einem Sofa und schaut zur Seite
Foto: Sebastian Schütte

Nach zwei Semestern Medien-Studium habe ich mich schlussendlich dagegen entschieden, beruflich am Set zu arbeiten - meine Begeisterung für Filme und Serien hat dadurch jedoch nicht abgenommen. Egal welches Genre, ob Streaming, Kino oder DVD, Hollywood-Klassiker oder Low Budget-Produktion: sowohl gute als auch weniger gute Filme schaue und diskutiere ich unvoreingenommen und mit viel Liebe für die Sache.

Über Anregungen und Kommentare freue ich mich!