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Sebastian Poullie
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Corona-Ticker: Umluft und Kälte sind für den Ausbruch bei Tönnies verantwortlich

Untersuchung im Auftrag des Kreises Gütersloh: Kälte und Belüftung als Virenschleuder bei Tönnies
Kreis Gütersloh plant zweites Corona-Testzentrum in Rheda-Wiedenbrück
FAQ: Wir beantworten Fragen zum Lockdown im Kreis Gütersloh
 

Der Kreis Gütersloh hat das Corona-Ausbruchsgeschehen wissenschaftlich begleiten lassen. Erste Informationen dazu gibt es in einer Pressekonferenz mit Landrat Sven-Georg Adenauer und Professor Martin Exner. Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit an der Universität Bonn. Thema: Vorläufige hygienemedizinische Risikoeinschätzungen sowie mögliche Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle zukünftiger Covid19-Infektionen bei Firma Tönnies (im Auftrag des Gesundheitsamtes des Kreises Gütersloh). Die Pressekonferenz beginnt um 15 Uhr. Wir berichten hier live.

15.01 Uhr
Die Jounalisten warten noch im Foyer des Kreishauses auf Landrat Sven-Georg Adenauer und Professor Martin Exner.
Jetzt sind sie da. Adenauer eröffnet die Pressekonferenz und stellt Professor Exner vor. Exner kehrte wegen des Ausbruchs in Gütersloh vorzeitig aus seinem Urlaub zurück. Hat sich bei Tönnies schon am Wochenende einen Überblick verschafft.

15.04 Uhr

Martin Exner übernimmt. Die Erkenntnisse sind wichtig, um planen zu können. Bisher geht man davon aus, dass der neue Erreger seit Januar seinen Sitz im Mund-, Nasen- und Rachenraum hat und sich durch Husten und Niesen ausbreitet. Exner erklärt nochmal, wie das Corona-Virus übertragen wird. Bei kühleren Temperaturen hält sich der Erreger länger. Wichtig: Wenn es zu einer Freisetzung kommt, unterscheiden wir "größere" Tröpfchen (die kurz vor der Person zu Boden fallen) und feinere Tröpfchen, die in die Luft abgegeben werden. Die kleineren Tröpfchen sind in der Normal-Bevölkerung für die Übertragung des Virus bisher nicht entscheidend.

Beim Corona-Ausbruch in Heinsberg hat auch die Klimaanlage eine Rolle gespielt. Mit bestimmten Filtersystemen lassen sich die Viren zurück halten. Mit diesen Informationen haben wir uns den Betrieb angesehen, so Exner.

Im Zerlegebereich bei Tönnies war die Infektionsrate besonders hoch. Dort wird stark körperlich gearbeitet, die Mitarbeiter müssen mit hoher Geschwindigkeit Zerlegearbeit durchführen. Die Raumluft muss gekühlt werden auf Temperaturen zwischen 6 und 10 Grad. Es ist also relativ kalt. Dann wird die Luft immer wieder aus dem Raum in Kühlsysteme gebracht und wieder in den Raum zurück gebracht - ähnlich wie in Heinsberg. Was bisher so nicht bekannt war: Umluft hält Aerosole in Bewegung. Das ist die entscheidende Botschaft. Das hat Konsequenzen für die Maßnahmen.

Was kann man machen? Maske tragen ist bei harter körperlicher Arbeit schwierig. Deshalb brauchen wir einen Kompromiss. Eine Hochleistungsfiltration oder eine Behandlung mit UV-Licht werden nötig sein.  Das muss geklärt werden - auch bei anderen Fleischbetrieben. Auch regelmäßige Untersuchungen werden nötig sein. Mitarbeiter, die nicht gesund sind, dürfen nicht arbeiten. Jetzt geht es darum, das weiterzuverfolgen. In einer Arbeitsgruppe werden Lösungen ausgearbeitet.

Man arbeitet jetzt an entsprechenden Filter-Lösungen. Man kann auch mobile Geräte aufstellen. Auch UV-Licht ist eine Möglichkeit. Das gilt neben den klassischen Maßnahmen (Abstandsregel, Testungen...), die ebenfalls nötig sind.

Frage: "In Heinsberg landen die Viren jetzt in einem Filter? Geht das auch in der Industrie?" "Das sind mobile Geräte. Das muss jetzt mit Klimatechnikern gelöst werden. Denkbar ist es, dass das adaptierbar ist."

Die Technologie ist vorhanden. "Wir sind eine innovative Gesellschaft", sagt Exner. 

"Darf man Tönnies erst wieder öffnen, bis das umgesetzt wurde." "Das kann ich nicht entscheiden."

Frage nach den Unterkünften: In den Unterkünften spielen die klassischen Faktoren eine Rolle. Deshalb stand das jetzt nicht im Fokus der Untersuchungen.

Exner unterscheidet im Pressegespräch immer wieder zwischen den "klasssischen Faktoren" für eine Verbreitung, bei denen Abstandsregel und Schutzmasken eine Ausbreitung verhindern, und der neuen Erkenntnis, dass Umluft und Kälte für eine starke Ausbreitung des Virus sorgen können. Das sei auch für alle anderen Fleischbetriebe wichtig.

Exner wird nach einer Schuld von Tönnies gefragt. Der Professor sieht darin aber nicht seine Aufgabe.

Frage nach Konsequenzen für Flugzeuge: Exner verweist auf die Hochleistungsfilter in neueren Maschinen. In älteren Maschinen kann das aber eine Rolle spielen. Dort könnten die Filter veraltet sein.

Landrat Sven-Georg Adenauer bedankt sich bei Professor Martin Exner.

Adenauer nennt erste Zahlen aus dem Diagnosezentrum in Gütersloh: 600 Abstriche wurden bisher genommen. Davon liegen 230 Befunde vor. 229 sind negativ und einer fraglich. "Das ist ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer, dass das Virus nicht in die Bevölkerung übergetreten ist."

In Rheda-Wiedenbrück wird ein weiteres Diagnosezentrum eröffnet und möglicherweise gibt es auch noch demnächst ein drittes Diagnosezentrum im Kreis. Adenauer: "Das wird noch geprüft." 

Adenauer antwortet auf weitere Fragen:

32 Mitbewohner von Tönnies-Mitarbeitern sind mittlerweile auch als Infizierte ermittelt. Adenauer: "Das ist noch ein geringer Wert."

Adenauer hält es für völlig inakzeptabel, dass Menschen aus dem Kreis Gütersloh anderswo nicht willkommen sind. Er nennt Münster als Beispiel, wo sich Gütersloher nur noch mit Maske im öffentlichen Raum bewegen dürfen.

Der Landrat beendet die Pressekonferenz.