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Stephan Kaiser
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Film [Komödie, Schräg, Starkino]

The French Dispatch

Zwei Charaktere lehnen im Halbdunkel mit dem Rücken zueinander gegen eine Jukebox.

Disney+
Komödie, Schräg, Starkino

In Vergangenheit wurde schon so gut wie alles einmal verfilmt. Romanzen, Biographien, Märchen, Religion... die Filmindustrie kennt keine Grenzen, wenn es um Inspiration für atemberaubende Geschichten und Bilder geht. Wes Anderson, bekannt für seine knallbunten, beinahe künstlich episodisch anmutenden Filme, greift mit The French Dispatch aber doch noch einmal zu einer eher ungewöhnlichen Quelle: nämlich einer Zeitung. Die Arbeit im Verlagswesen, die Strategien der Reporter und der Journalismus sind hier allerdings nur Randthemen. Worum es wirklich geht, das sind die Geschichten der Artikel selbst. Jeder einzelne Beitrag der fiktionalen Zeitung wird komplett verfilmt: und das ergibt am Ende eine Mischung, die genau so schräg ist, wie sie klingt.

Der Redakteur steht mit einem Kellner vor seiner Pinnwand, auf der unzählige Klebezettel kleben.
Quelle: Disney+

Filme wie Gemälde

Schon bei The Grand Budapest Hotel wurde spürbar, dass Wes Anderson mehr und mehr in seinem eigenen Stil ertrinkt. Was zu Beginn seiner Karriere noch eher angedeutete Stil-Entscheidungen waren, schreit jetzt aus jeder einzelnen Aufnahme. Geometrie, harte Schnitte, bunte Pastellfarben. Schrullige Charaktere, aberwitzige Erzählweisen, abstrakte Storylines. Ein Kinobesuch fühlt sich an, als wäre man eingeschlafen und in einer Süßigkeiten-Werbung der 70er Jahre wieder aufgewacht. Das muss man mögen, um es genießen zu können! Aber selbst wer kein Fan vom abstrakten Stil des Films ist, wird nicht umhin kommen, die große Liebe zum Detail und den enormen Aufwand in jeder einzelnen Szene anzuerkennen. Alle Schauspieler spielen sich die Seele aus dem Leib. Und das sind wirklich jede Menge: Tilda Swinton, Owen Wilson und Timothée Chamelet sind nur wenige Gesichter aus dem hochpreisigen Cast. Anderson steigert sich mit seinem neusten Film in die Ekstase seiner selbst: vielleicht denkt er einfach, wo Anderson drauf steht, muss auch Anderson drin sein. Es ist, als würde man ein Grundschul-Theaterstück erwarten und stattdessen ein Broadway Musical bekommen. Beeindruckend, ohne Kontext aber auch irgendwie belastend.

Die Redaktion des Magazin sitzt im Büro des Redakteurs und schaut in die Kamera.
Quelle: Disney+

Ein Wahnsinns-Streifen oder ein Streifen nach Wahnsinn? 

Der Film erzählt sogesehen fünf Geschichten. Grundsätzlich geht es um die letzte Ausgabe des Magazins “The French Dispatch”, das mit dem Tod seines Herausgebers die Arbeit einstellt. Erzählt werden aber die vier Artikel, die in der letzten Ausgabe erscheinen sollen: und diese könnten sich in Länge und Inhalt nicht stärker unterscheiden. Mal bekommen wir eine schnittige Stadtrundfahrt, dann eine intellektuelle Affäre inmitten politischer Revolution. Auch verfolgen wir die Geschichte eines Kochs, die erst zu einem Kriminalfall und dann plötzlich völlig kontextlos zu einem knalligen Cartoon wird, und spätestens dann brennt jedem Zuschauer die letzte Synapse durch. Mit stolzen 108 Minuten wird der Stil doch irgendwann so hypnotisch, dass die Faszination für die pointierte Erzählweise in einen hitzigen Fiebertraum umschwenkt. Anderson will nicht dahin plätschern, Anderson will anstrengend sein - aber diesmal folgt man der Szenerie nicht so mühelos wie etwa noch in The Grand Budapest Hotel. Zum Glück gibt es da all die tollen Schauspieler und die ständig wechselnden Szenarien, sodass man am Ende keinesfalls enttäuscht vorm Abspann sitzt - höchstens vielleicht ein bisschen verschwitzt und mit vergrößerten Pupillen.

Fazit:  3,5/5 Fahrrad-Touren mit Owen Wilson. Ein Film für Liebhaber von Journalismus, Kultur und spannenden Geschichten - vor allem aber ein Film für Fans, für die zu viel Anderson immer noch zu wenig ist.


Unsere Serien- und Film-Expertin

Hannah Schürkamp - Film-Enthusiastin & Studentin (Geschichte, Englisch)

Hannah Schürkamp sitzt auf einem Sofa und schaut zur Seite
Foto: Sebastian Schütte

Nach zwei Semestern Medien-Studium habe ich mich schlussendlich dagegen entschieden, beruflich am Set zu arbeiten - meine Begeisterung für Filme und Serien hat dadurch jedoch nicht abgenommen. Egal welches Genre, ob Streaming, Kino oder DVD, Hollywood-Klassiker oder Low Budget-Produktion: sowohl gute als auch weniger gute Filme schaue und diskutiere ich unvoreingenommen und mit viel Liebe für die Sache.

Über Anregungen und Kommentare freue ich mich!